Innovation aus Leidenschaft – Teil 2
Sie brechen in Ihrem Buch eine Lanze für Innovation aus Leidenschaft. Was verstehen Sie darunter?
Wenn ich von Leidenschaft im Zusammenhang von Innovationen spreche, dann beinhaltet das erstens, dass unsere Haltung dem Neuen gegenüber positiver wird. Zweitens drückt sich darin auch ein Enthusiasmus im Tun aus. Drittens hat Leidenschaft immer auch etwas mit der Fähigkeit zu tun, Rückschläge auszuhalten und daraus Energie zu gewinnen.
Das ist im Zusammenhang mit Innovationen essenziell. Kaum eine epochale oder auch kleinere Neuerung gelang je auf Anhieb. Die meisten erzählen eine Geschichte davon, wie es zunächst nicht funktioniert hat. Dieses auszuhalten, erfordert Leidenschaft.
Welche Rahmenbedingungen sorgen in Unternehmen für eine fruchtbare Innovationskultur?
Blicken wir zuerst auf das Gegenteil einer solchen Kultur, also auf die Realität, wie wir sie leider in den meisten Unternehmen vorfinden. Was prägt dort die Kultur? Sehr häufig dauert es im Lebenszyklus eines Unternehmens nicht lange, bis eine wohl ausdefinierte Hierarchie das Handeln prägt. Das ist für das Innovationsklima alles andere als förderlich. Hier braucht es etwas, was wir in den Modellen der Unternehmenskultur Adhocratie nennen. Der Name „Adhocratie“ leitet sich vom lateinischen Wort „ad hoc“ ab, was man mit „aus dem Moment heraus“ übersetzen kann.
Im Kern beschreibt diese Adhocratie eine Kultur des Unternehmertums und damit das Gegenteil von hierarchisch strukturierter Bürokratie. Hier ist die vorherrschende Logik zur Erreichung von Erfolg, dass Kontrolle die Effizienz fördert, in dem sie Verschwendungen und Redundanzen eliminiert. Das mag für eine Behörde gelten, hier will man keine Flexibilität, sondern eine fehlerfreie Effizienz in der Ausübung von Prozessen. Bei der Adhocratie-Kultur hingegen beruht die vorherrschende Logik darauf, dass neue Ideen und neue Möglichkeiten neue Kunden und Märkte schaffen und damit Innovationen entstehen. Dort arbeiten dann Führungskräfte, die mehr an Leader und Entrepreneure, denn an Kontrolleure erinnern.
Während in Hierarchiekulturen Mitarbeiter der Struktur untergeordnet werden, stellt die Adhocratie die Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten und Kompetenzen über die Struktur. So ist es selbstverständlich, dass sich beispielsweise für ein Innovationsprojekt verschiedene Experten hierarchie- und bereichsübergreifend in multidisziplinären Teams zusammenschließen und von Anfang an hervorragend ohne Abstimmungs- und Reibungsverluste zusammenarbeiten. Will man also ein Umfeld schaffen, in dem Innovationen besonders gut entstehen können, ist man gut beraten, die Kulturmerkmale von z.B. starker Hierarchieorientierung hinter sich zu lassen und sich in Richtung Adhocratie-Kultur zu entwickeln.
Und wie gehen Unternehmen am besten vor, die eine solche Innovationskultur etablieren wollen?
Der Weg dahin ist kein einfacher. Er wird lang und zum Teil auch mit Rückschlägen versehen sein. Aber, er ist ohne Alternative. Unternehmen verwalten sich ansonsten im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode. Wie ein solcher Weg aussehen kann, das beschreibt das Buch in seinem Kapitel 3.8 und zeigt dort auf, wie man in 8 Schritten zur Innovationskultur kommen kann. Dem möchte ich verständlicherweise hier nicht detailliert vorgreifen und daher mit den folgenden "8 Schritten zur Innovationskultur“ den Appetit auf die Lektüre steigern:
1. Konsens über die Ausprägungen der aktuellen Unternehmenskultur
2. Konsens über die Attribute der zukünftigen Innovationskultur
3. Erörterung und Definition, was die anstehenden Veränderungen bedeuten werden und was nicht
4. Definition eines Maßnahmenplans zur Erreichung der gewünschten Innovationskultur
5. Identifikation von Möglichkeiten schneller Erfolge, aber auch sorgsamer Umgang mit Fehlern
6. Definition der flankierenden Ansprüche an die Führungskräfte und Entwicklung dieser
7. Aufbau eines Monitoring-Systems
8. Definition einer Kommunikationsstrategie nebst flankierender Change Story, die auf dem Konzept des Storytellings aufbaut
Die Aufgabe dieser acht Schritte besteht darin, die Beteiligung der Belegschaft in der Breite zu fördern und den Widerstand der Betroffenen gegen den Kulturwandel aktiv aufzunehmen, damit zu arbeiten und ihn zu minimieren. Weiterhin gilt es für alle Beteiligten zu klären, wie die Attribute der neuen Innovationskultur aussehen sollen und was damit verbunden ist. Zu klären ist aber auch, was auf dieser KulTour unverändert bleiben kann. Der Prozess sieht weiterhin vor, konkrete Maßnahmen zu definieren, die einzuleiten sind, um eine Dynamik für den Kulturwandel zu schaffen sowie Aktionen zu identifizieren, um Verantwortlichkeiten festzuhalten, um die Führungskräfte wirkungsvoll in zielorientiertes Handeln zu bringen.
Ein vielleicht sinnvoller Schritt könnte sein – natürlich in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens – einen eigenen Inhouse Zukunftskongress zu veranstalten. Hierüber sollten wir einmal gesondert sprechen, denn das Team von Mandelkern hat hier sicherlich die nötige Expertise.
Vielen Dank für das Gespräch!
Frank Weber ist seit 2011 Unternehmensberater (weber.advisory) und Hochschuldozent mit den Schwerpunkten Change- und Innovations-Management sowie Leadership und Unternehmensentwicklung. Weber hat Zusatzausbildungen an der St. Galler Business School – „General Management Program“ und Weiterbildungen in NLP (Master), systemischem Coaching und Ausbildung zum Mediator (FH Darmstadt). Seit 2017 ist Weber Beirat des „Competence Center Entrepreneurship“ der Hochschule Fresenius. Er ist Autor der beiden Bücher „Robuste Unternehmen“ und „Innovation aus Leidenschaft“.